Samstag, 8. Januar 2011

von Tschonn-Schoä-hällll und anderen Katastrophen

Arbeit ist gesundheitsgefährdend.
Mein Reden.
Aber auf mich hört ja wie immer keiner.

Seit einigen Wochen haben wir einen neuen (naja, inzwischen nicht mehr so neu) Bewohner. Noch recht jung, Mitte 60, stark dement und sehr aggressiv.
Nennen wir ihn Hans.
Hans ist total unberechenbar. Mal sitzt er stundenlang völlig friedlich und abwesend auf seinem Stuhl und von jetzt auf gleich tickt er aus, schlägt andere Bewohner oder schubst die Stühle gegen den Tisch, schmeisst seine Tasse an die Wand oder sonstwas.
Meist brubbelt er pausenlos unverständliche mhhhmmmmhhhhmmms vor sich hin. Inzwischen kann man anhand der Tonlage und der Häufigkeit leise Vorahnungen hegen wann der nächste Gewaltausbruch folgt.
Die erste Zeit als er zu uns kam, wurde er am Bett fixiert. Das sagt ja auch schon einiges. Seinen Mitbewohner im Zwei-Bett-Zimmer hat er Nachts des öfteren verprügelt. Jetzt hat Hans ein Einzelzimmer.

Donnerstag also hatte ich Spätdienst. Und im Wohnbereich der Behinderten, wo auch Hans seinen Tag verbringt, Küchendienst.
Hans war zunächst recht friedlich und unauffällig. Zur Abendbrotzeit wurde er unruhig, stand auf, und ich durfte durch langandauerndes Plätschern alamiert und an den Ort des Geschehens gelockt zugucken wie er einen See gigantischen Ausmasses vor die Info gepieselt hat.
Grrmpf.
Das hatte mir bei der Einstellung auch Niemand gesagt, das Gummistiefel zur dringend erforderlichen Arbeitskleidung eines Altenpflegers gehören.
Ich also losgehirscht, mich mit Gummihandschuhen, Schrubber, Wischlappen und Eimer mit Desinfektionslösung bewaffnet, und dann hab ich gewischt. Und gewischt. Und gewischt...
Leider hatte ich aber nicht verhindern können, das sich der See auch unter den Schrank verbreitet. Das wird in nächster Zeit bestimmt für interessante Düfte sorgen.
Örks.

Das Abendessen verlief ziemlich ruhig und problemlos. Die Spülmaschine lief und die Fachkraft und ich haben die Leute umgelegt. Ähh. Ins Bett gebracht.
Das Beste zum Schluss...
Hans war unser letzter Kandidad. Er wollte sich nicht ausziehen lassen. Wie immer. Auch freundliches Zureden (das manchmal hilft!) half nichts. Da er aber auch noch eine geballte Ladung in der Hose hatte, mussten wir ihn unbedingt säubern und umziehen. M. hat ihn abgelenkt und ich hab ihn saubergemacht und neues IKM angelegt.
So weit, so gut.
Nun sass unser Hänschen schimpfend auf dem Bett und wollte sich nicht ausziehen lassen. M. hat wieder mit Eselszungen (äh. ne. Wie heissen die? Engelszungen, oder so) auf ihn eingeredet und er wurde etwas ruhiger. Sie gab mir ein Zeichen, das ich ihn nun ausziehen sollte. Also habe ich mich über ihn gebeugt um ihm den Pullover über den Kopf zu ziehen, woraufhin er begann wild um sich zu schlagen. M. hat versucht seine Arme festzuhalten. Daraufhin riss er sein Knie hoch und hat es mir mit voller Wucht in den Bauch gerammt.
Eselszungen sangen fröhliche Chöre, die Vöglein zwitscherten und die Sternlein vor meinen Augen funkelten. Als ich nach kurzer Zeit wieder halbwegs Luft holen konnten zog M. ihn fertig um und wir verliessen fluchtartig den Raum.
Die Nachtschwester, die mittlerweile zum Dienst erschienen war fragte mich völlig entsetzt, ob ich mit einem D-Zug kollidiert wäre oder warum ich so blass-grün im Gesicht war. Ich musste mich dann auch erst mal ne Weile hinsetzen.
Zum Glück hatte ich um 20.00 Uhr Feierabend.
Die Kollegen rieten mir, auf jeden Fall am Freitag zum Arzt zu gehen. Stumpfes Bauchtrauma und so.
Die Heimfahrt über hatte ich das Gefühl, einen gigantischen Wackerstein im Bauch zu haben, der mir die Luft abdrückt. Übel war mir auch. Und schwindelig.
Zu Hause hab ich mich dann bald ins Bett gelegt und gehofft, die Zeit heilt alle Wunden. Oder so.
Die Atemprobleme blieben. Ich kann derzeit nur ganz flach in den Brustkorb atmen. Sobald ich versuche tieder Luft zu holen, sticht es im Bauch.
Morgens kurz nach 4 kamen zu dem allgemeinen Unwohlsein starke Stiche im Bauchraum dazu.
Woraufhin ich mich bei der Nachtschwester für den Freitag krank gemeldet hab.
Gegen halb 1o sass ich dann bei meinem Doktor im Wartezimmer. Mir war elend und ich hatte nach wie vor Probleme beim Atmen.
Da sass ich dann so ungefähr zwei Stunden und erfreute mich über meine Mit-Wartenden.
Zum Beispiel die ältere Dame, die pausenlos mit ihrer Nachbarin quasselte.
Und dann kam "sie". Eine jüngere Frau, etwa 30, wirkte leicht einfältig. Im Schlepptau Tschonn-Schoäll. Ca. 3 Jahre alt. Quirlig. Rotzfrech. Tobte durchs Wartezimmer, über Tisch und Stühle und wartende Patienten hinweg. Egal, das da ein älterer Herr mit bandagiertem Bein und Krücken sass. Die Krücken wurden zur Seite geschubst und mal eben gegen das Bein getreten. Mamas leiser Protest ("aber aber, Tschonn-Schoäll, das macht man doch nicht!") wurden ignoriert. Auch die später erfolgten, etwas energischeren Rufe "Tschonnn-Schoä-hälll! komm sofort her!" ignorierte das Gör.
Mit den Namen hier in der Region ist das so eine Sache. Ich will nicht überheblich sein oder so. Aber ich hatte in den letzten Jahren mehrfach die Beobachtung gemacht, das, je komplizierter der Name des Kindes, desto einfältiger dessen Eltern.
Der regionale Släng tut sein Übriges, die ausgefallenen Namen zu etwas ... nun... sagen wir, ganz Besonderem zu machen. Da könnem einem die Tschackelines, Schannntalles und Tscheiänne-Lunas dieser Gegend schon fast wieder leid tun.
Oder eben unser wuseliger Freund, der Tschonn-Schoäll. Erinnert mich irgendwie an Bonduell, das Zartgemüse aus der Dose.

Nun gut. Kurz nach 11 war ich beim Doktor. "Och. Arbeitsunfall? Na, da muss ich sie an Dr. L. überweisen. Der ist dafür zuständig. Ach ja, der sitzt da im Krankenhaus".
Ich also Krankenschein für Freitag und Überweisung geschnappt, in die Kreisstadt ins Krankenhaus gefahren, (vorher 2 Euronen für den Parkplatz gelöhnt), gefragt, wo denn Dr. L. zu finden sei. "Nö. Den gibts hier nich. Der ist doch im Ärztehaus in Süd-West!"
Grrmpf.
Also über den eisglatten Fussweg den Berg zu meinem Auto zurückgerutscht, nach Süd-West ins Ärztehaus gefahren, glücklich einen kostenlosen Parkplatz erwischt und um 12.00 Uhr am Thresen mit den Worten empfangen worden "wir nehmen aber nur bis 12.00 Uhr an. Ham'se denn keinen Termin??".
Zaghaft angemerkt, das ich gestern nicht geplant hatte mir die Innereien aus dem Leib treten zu lassen und das ich ja grad von meinem Hausarzt komme und so.
Der nette Engel hinterm Thresen machte dann eine Ausnahme und ich durfte im Wartezimmer platznehmen. Und erfreute mich über die Mit-Wartenden.
Z.B. über die ältere Dame, die wohl Anschluss suchte und allen der Reihe nach ihre Lebensgeschichte erzählen wollte. Zum Glück hatte ich mein Buch dabei. Passend zum noch vorhandenen Winterwetter war es Frollein Smilla mit ihrem Gespühr für Schnee.
Um 13.30 Uhr war ich dann drann. Nun drückte der zweite Arzt heute auf meinem lädierten Bauch herum. (Die Frage "und? Tut's da weh??" während man mit schmerzverzerrtem Gesicht nach Luft schnappt, mag ich nicht sonderlich. Männer und ihr Feingefühl... Grrmpf)
Durch Abtasten konnte Dr. L. nicht klären, ob ich eventuell Flüssigkeitseinlagerungen im Bauchraum habe. Stumpfes Bauchtrauma. Da kann auch die Leber oder die Milz reissen. Oder der Magen. Kann auch mal zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen.
Dami er was Schlimmeres ausschliessen kann, hat er mich dann noch mal ins Krankenhaus in die Innere überwiesen. "Mal'n Ultraschall und ne Sonographie. Nur, damit wir wissen was los ist".

Also wieder durch die halbe Stadt ins KKH gegondelt, auf den glitschig-vereisten Parkplatz, für weitere 2 Euro ein neues Ticket gelöhnt weil das alte abgelaufen war, den eisglatten Berg zum KKH hochgeschlittert und mich am Thresen erkundigt, wo ich denn jetzt hin müsste und mich nach kurzer Wegweisung in der Notaufnahme in die fröhliche Warterunde gesetzt. ("Och, wir sind schon seit kurz nach 10.00 Uhr hier... Aber vorhin wurde schon mal das Bein geröntgt.")
Grrmpf.
Die Stunden verflogen, Smillas Buchseiten schmolzen in der Wartezeit, Leute kamen und gingen, wurden zur Untersuchung gerufen, kamen wieder, gingen.
Inzwischen war es halb vier. Kurz vor acht hatten wir gefrühstückt.
Dann endlich kam auch ich dran und wurde in einen Untersuchungsraum geführt. Auf der Pritsche sollte ich warten. Das tat ich. Sonst tat sich erstmal 20 Minuten lang nix.
Dann kam ein junger Assistenzarzt herein. "Hmmm... Dr. L. schickt Sie, ja?" "Hmmjaha"
"Hmmm... eigentlich sind Sie hier falsch. Hier ist ja die Notaufnahme. So für Notfälle und so. Dr. L. hätte Sie eigentlich zu einem niedergelassenen Arzt in der Stadt schicken sollen. Ich weiß gar nicht, ob wir Sie überhaupt behandeln können".
Grrrmpf.
Nach einer weiteren halben Stunde kam dann der Oberarzt, machte einen Ultraschall, befand, das ich vermutlich keine Flüssigkeitsansammlungen im Bauchraum hätte, nahm noch mal den Unfallbericht auf und schickte mich kurz nach 5.00 nach Hause mit den Worten "aber wenn irgendwas schlimmer wird komm'se gleich wieder!".
Nun ja. Krankgeschrieben bin ich noch bis Mittwoch, dann muss ich noch mal zu Dr. L. (Diesmal mit Termin)

Und da ich derzeit noch lebe, war es wohl nicht so schlimm. Nur das ich immer noch nicht richtig atmen kann stört mich ein wenig. Auch das meine beiden Daumennägel inzwischen blau unterlaufen sind.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ohje...ich wünsche dir Gute Besserung
war nicht wirklich dein Tag
Knutscha
rateri