Mittwoch, 7. Januar 2009

Miss Peggy

hatte scheinbar schlecht geschlafen. Oder findet ihren Job blöd. Oder was auch immer der reizenden Sprechstundenhilfe des Herrn Chirurgen gestern für Gräßlichkeiten über die Leber gelaufen waren.
Ob sie Peggy heisst, weiß ich nicht. Die Dame trug kein Namensschild. Aber Peggy würde zu ihr passen. Oder Tschackeline.* Oder Schanätte. (Ich schreibe das hier quasi in Lautschrift. Ein wenig verwundert es mich nämlich auch nach inzwischen 3 Jahren in der anhaltinischen Provinz noch immer, wie manche Leute manche Namen aussprechen. Was aber manche Leute auch nicht daran hindert, ihren Kindern solch unaussprechliche Namen zu verpassen. Als ich am 29. beim Hausarzt war, der sich mit seiner Frau, die Kinderärztin ist, eine Praxis teilt, konnte ich auch so wunderbar klangvolle Namenskompositionen wie Luna-Cheyenne (Schneider) hören. Da macht auch das Warten neben dem Kinderarztthresen fast schon wieder Spass, auch wenn alle Nase lang Jemand so ein Bündel Mini-Mensch im Tragekorb angeschleppt und direkt vor meine Nase gestellt hat. Es war an dem Tag nämlich Baby-Hüft-Ultraschall angesagt. Bei sowas würgen sonst eher die Tränen in meinem verkloßten Hals. Aber das ist eine ganz andere Geschichte)

Nun gut. Nennen wir sie Peggy.
Peggy hatte, wie schon erwähnt, offenbar einen schlechten Tag. Das unterstelle ich ihr mal, da ich ihr gestern zum Ersten Mal begegnet bin und hoffe, das das gestern eine Ausnahme war.
Ich hatte ja, nachdem ich am 28.12. die Treppe runtergesegelt war, am 29. von meinem Hausarzt eine Überweisung zum Chirurgen bekommen. Weil mein Hausarzt befürchtete, das der kleine Zeh angebrochen ist. Und was mit dem Knie ist, wollte er vom Facharzt auch abgeklärt haben.
Leider hatten alle Chirurgen in näherer und auch etwas weitere Umgebung über die Feiertage Urlaub. Die in der Sachsen-Anhaltinischen naheliegenden Kreisstadt sogar bis einschliesslich gestern, weil ja hier der 6. Januar Feiertag ist. In der ein klein wenig weiter entfernten thüringischen Kleinstadt hingegen war gestern ganz gewöhnlicher Arbeitstag, und ich hab am Montag auch gleich einen Termin für Dienstag früh bekommen.
(Vielleicht war Miss Peggy deswegen sauer, weil sie arbeiten musste, während sich die Leute im Nachbar-Bundesland faul in den Betten lümmelten?)
Nun gut. Ich war also zur bestellten Zeit um 7.30 Uhr in der Praxis. Der Weg dorthin war etwas abenteuerlich. Die Autoscheiben waren gefroren. Von aussen war es gar kein Problem, das liess sich mit dem wunderbaren Eiskratzer-Nikolausgeschenk meines Ritters abkratzen. Nur die Eisschicht inen hat mir etwas zu schaffen gemacht. Die Zeit drängte. Egal, dachte ich mir, auf der 30 Kilometerlangen Fahrt taut das schon auf, und ich bin ja auch gleich auf der Autobahn. Und am Feiertag bei der Kälte ist eh noch keiner unterwegs.
Gebläse und Heizung liefen auf volle Pulle. Als ich das Ortsschild der thüringischen Kreisstadt passierte, waren immer noch Eiskristalle innen auf der Windschutzscheibe.
Mit nur einmal verfahren hab ich die Arztpraxis schnell gefunden. Sie ist direkt neben der Südharzklinik. Direkt vor der Praxis befindet sich der große (Gebührenpflichtige!) Krankenhausparkplatz. Dort wollte ich aus zwei Gründen nicht parken: ersten funktioniert der elektrische Fensterheber meines Autos nicht mehr, und mit dem schmerzenden Knie ist das Ein- und Aussteigen aus dem Auto sowieso schon recht unangenehm. Und zjm Anderen war die Parkhöchstdauer auf zwei Stunden beschränkt.
Mir schwante aber schon, das es wohl länger dauern würde.
Also hab ich mich auf den kostenfreien Parkplatz etwas weiter weg gestellt und bin durch die eisige Morgenluft zur Praxis gehumpelt.
Dort angekommen hab ich mich in die Schlange von etwa 5 älteren Herren gereiht, die vor der noch verschlossenen Praxistür warteten. Diese wurde Punkt 7.30 Uhr von einer anderen, etwas älteren und wirklich witzigen Sprechstundenhilfe geöffnet. Diese ordnete an, Überweisungsscheine und Chipkarten auf den Thresen zu legen, sich hinzusetzen und zu warten, und verschwand.
Kurz danach tauchte dann Miss Peggy auf und arbeitete sich durch den Haufen Chipkarten und Überweisungen. Der Reihe nach wurden verschiedene Leute an den Thresen beordert.
Ich auch. "Die Überweisung ist ungültig!!!" - "Häh? Wieso denn?" - "Na, die ist doch aus dem alten Quartal!!" - "ja, aber doch erst ne Woche alt, und es waren doch alle Chirurgen im Urlaub und ich konnte doch nicht früher...." - "Mir doch egal! Da hätten Se eben ne neue holen müssen!" (und da wundert man sich über die explodierenden Kosten im Gesundheitswesen. Wenn man jedesmal wieder den Hausarzt beschäftigen muss, weil eine Überweisung, die zwar erst vor einer Woche ausgestellt wurde, aber dummerweise im abgelaufenen Quartal, nicht mehr gültig ist)
Nun gut. Brummend hat sie mir die alte Überweisung zurückgereicht, 10 Euro Praxisgebühr eingesackt und mir eine Überweisung zum Hausarzt ausgeschrieben.
Dann durfte ich mich wieder setzen.
Gegen 8.30 Uhr durfte ich dann in den anderen Wartebereich vorrücken.
Gegen 9.00 Uhr wurde ich ins Sprechzimmer beordert.
Gegen 9.20 Uhr kam der Herr Doktor, drückte, drehte und tastete an Knie und Zeh herum ("Auaaa!! Ja, genau DA tut es weh!!") malte mir einen Kringel um den kleinen Zeh, stellte noch ein paar Fragen ("ach, das war ein Arbeitsweg-Unfall?? Na, das hätten Sie doch gleich sagen müssen!") und schickte mich wieder in Wartezone II.
Kurz darauf brüllte Miss Peggy vom Thresen, ich soll mal herkommen. Warum ich das nicht gleich gesagt hab, das das ein Arbeitsunfall ist! Jetzt muss sie mir ja die 10 Euro zurückgeben. Und das Kassenbuch ändern. Und das im Computer ändern. Und überhaupt!!
Dann musste ich einen Zettel zum Unfallhergang ausfüllen. Gleich die erste Frage trieb mir die Schamesröte (ob meiner Unwissenheit) ins Gesicht. Aber wissen Sie auf Anhieb, bei welcher Berufsgenossenschaft Ihr Arbeitgeber versichert ist? Ich wusste es nicht. Das hatte böses Mecker von Miss Peggy zur Folge. ("Das muss ich aber hier eintragen! Das ist gleich das allererste, was der Computer wissen will! Warum ich das nicht weiß? Sowas weiß man doch!! Jetzt sehn Se mal zu, wie sie das in Erfahrung bringen! ... Nein!! Das Telefon der Praxis wird für sowas nicht benutzt!! Im Krankenhaus ist ein Münzfernsprecher."
Nun gut. Ich zum Telefon gehumpelt und meinen Ritter angeklingelt. Weil ich da sonst normalerweise nicht anrufe, wusste ich nämlich auch die Nummer des Pflegeheims nicht. Zum Glück war mein Ritter zu Hause und hat die Nummer auch gleich gefunden. Und zum Glück ist das Pflegeheim auch an Feiertagen besetzt. Das Büro natürlich nicht, die haben ja selbstverständlich frei an Wochenenden und Feiertagen. Aber die Kollegin auf der Station wusste es.
Ich also -glücklich- mit meiner Information wieder zur Arztpraxis gehumpelt und mich in die mittlerweile recht lange Schlange an Miss Peggys Thresen eingereiht. Als ich dann endlich dran kam, durfte ich ihr den Namen der Berufsgenossenschaft mitteilen und mich wieder in Wartezone II begeben.
(Nur am Rande bemerkt: Miss Peggy war zu den anderen Patienten auch so unfreundlich. Es lag also nicht nur an mir! Weil der Wartebereich überfüllt war, standen einige Leute. Eine Frau hatte sich an die Wand gelehnt und wurde auch glauch von Miss Peggy angebrüllt, ob sie wohl gefälligst mal die Wand noch ein bissvhen weiß lassen würde. Ein anderer Fall: Draussen war ja Schnee. Und wenn Jemand auf zwei Krücken und mit dick eingewickeltem Bein in die Praxis gehumpelt kommt, kann er sich möglicherweise nicht so sorgfältig die Schuhe abputzen wie es eventuell wünschenswert wäre. Dummerweise hat diese Person also einen nassen Fussabdruck auf dem Boden hinterlassen. Netterweise hat Miss Peggy aber nach einigen Diskussionen mit diesem Patienten eingesehen, das dieser einbeinig und auf Krücken jetzt nicht den Boden wischen kann. Schimpfend und Meckernd hat sie sich daraufhin herabgelassen , es selber aufzuwischen)
Gegen 10.30 Uhr kam ich dran zum Röntgen. Welch Freude! Miss Peggy war inzwischen von einer Kollegin am Thresen abgelöst worden und durfte Röntgen!
Aber sie blieb doch recht sachlich, zuppelte Zeh und Knie in die richtige Position, malte mir lustige Striche aufs Bein, um dieses zu vermessen und entliess mich kurz darauf wieder in Wartezone II.
Gegen 10.45 Uhr wurde ich wieder zum Doktor ins Sprechzimmer beordert, der beguckte sich kurz die Röntgenbilder. "Nein, nix gebrochen! Das Knie ist nur stark überdehnt, der Zeh geprellt, deshalb tut es so weh. Schön einschmieren, ich schreib Ihnen mal was auf, und wenn es nicht besser wird, in zwei Wochen wiederkommen!"
Und draussen war ich!
Noch schnell bei der neuen Thresendame das Rezept abgeholt und weg!

Bei m einem Auto angekommen, musste ich dann feststellen, das die Atemluft der Hinfahrt sich schön gleichmäßig auf allen Fensterscheiben niedergelassen hatte und angefroren war. Aus Formtechnischen Gründen war der schöne Nikolauskratzer eher ungeeignet, die Scheiben von innen freizukratzen. Hab mir also notdürftig ein paar Gucklöcher freigekratzt und bin losgefahren. Inzwischen strahlte die Sonne in gleißender Pracht vom Himmel.
Das ist besonders doof, wenn die Scheibe zugefroren ist. Ich bin also eher nach Gehör gefahren. Zum Glück funktioniert dieses auch. Sonst hätte ich vielleicht gar nicht das empörte Klingeln der Strassenbahn gehört, als ich an der roten Ampel gewartet hatte und leider etwas zu weit links stand und die Strassenbahn nicht vorbeikam.
Strassenbahnen... Mensch... wann war ich das letzte Mal einer Strassenbahn begegnet! Das kenn ich doch gar nicht mehr, hier in der anhaltinischen Provinz...
Wegen undurchsichtiger Scheiben und Baustelle an der Hauptdurchfahrtsstrasse hab ich noch eine kleine Ehrenrunde durch die Stadt gedreht und bin auf der falschen Autobahnauffahrt (Umweg von etwa 10 Kilometern) auf die Autobahn gefahren und glücklich und wohlbehalten (und mit inzwischen aufgetauten Scheiben) gegen 11.30 Uhr zu Hause angekommen.

Unterwegs war strahlender Sonnenschein auf dick bereifter, glitzernd-weißer Landschaft. Traumhaft schön! Leider hatte ich keine Digicam mit.


* das hab ich mir von Frau Tante Heinz ausgeborgt. Die hatte auch viel Freude mit "ihrer" Tschackeline.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

oh weh, Martina, schlimmer geht nimmer, oder? Aber leider ist das ja gar nicht mal so ein untypischer Arztbesuch. Ähnliches ist mir auch schon passiert. Ich wünsche Dir eine gute Besserung und drücke die Daumen, dass Du schnell schmerzfrei bist. Liebe Grüße sendet Frau Landgeflüster.